Historische Markthallen in Friedrichshain-Kreuzberg

Lebensmittelversorgung in Berlin

Es waren die „Hökerinnen“, die Hausierer und fliegenden Händler und nur wenige Besitzer fester Marktstände, die die Berliner Bevölkerung bis in das 15. Jahrhundert mit Lebensmitteln versorgten. Zunächst entstanden damals der Spittelmarkt, der Markt auf dem Dönhoffplatz und der Molkenmarkt. Weitere Marktflächen wurden aufgrund des Bevölkerungswachstums notwendig. Am Gendarmenmarkt entstanden über 1400 Marktstände. Bis 1867 schließlich waren es insgesamt über 20 Marktplätze, wo die Berliner frische Lebensmittel unter freiem Himmel einkaufen konnten. Die Zustände waren teilweise unvorstellbar: Gestank, Fäulnis und Getier, aber auch Betrug. Die Galgen auf den Märkten schreckten nicht alle ab.

Serienbau der Berliner Markthallen

Trotz der Schließung (1868) der ersten gebauten Markthalle Berlins am Schiffbauerdamm (horrende Mieten hielten die Händler fern) wollte die Deutsche Baugesellschaft in Berlin weitere Markthallen errichten. Nach längerer Verzögerung beschloss der Berliner Magistrat 1883 den Serienbau der Markthallen, worauf bis Ende 1892 zwei Zentralhallen und ein Dutzend Bezirkshallen entstanden. Die 14 Markthallen wurden in chronologischer Folge der Bauabschnitte von I bis XIV nummeriert.

Die Stadt Berlin wollte die offenen Strukturen der über 20 einzelnen Märkte beseitigen. Auch das Problem einer hygienischen Lebensmittelversorgung (schließlich boten die Hallen Überdachung, Kühlung und Heizung) der schnell wachsenden Bevölkerung ließ die Erbauer, Stadtbaurat Hermann Blankenstein und den Architekten August Lindemann, in unmittelbarer Nähe zu den Wohngebieten weitere Markthallen errichten. Die Händler zwang man mit Gesetzen zur Nutzung und die Gebühren waren auch höher, jedoch ermöglichten bald sechs Verkaufstage in der Woche höhere Umsätze. Zudem bot eine Halle bis zu 1300 Ständen Platz, wie die Zentralmarkthalle in der Nähe des Alexanderplatzes.

Die Hallen folgten einem ähnlichen architektonischen Konzept. Ein metallenes Tragsystem bildet ein Mittelschiff, an das sich beiderseits Querschiffe anschließen. Das Dach liegt auf gusseisernen Stützen und gemauerte Backsteinfassaden sorgen für ein ausgeglichenes Hallenklima. Neben den Bogenportalen ordneten sich die Stände an, worunter es auch festere Rahmenwerke gab und Kleinwohnungen für Hallenbedienstete.

Markthalle II

In Kreuzberg entstand so 1886 die Markthalle II in der Berliner Friedrichstadt, auch Lindenhalle genannt. Sie lag zwischen Friedrich- und Lindenstraße und bot 746 Händlern Platz. Sie beherbergte aufgrund ihrer guten Heizung schon damals Blumenhändler. Im Krieg fast vollständig zerstört, endete ihre Geschichte 1953. Anfang der 1960er Jahre entstand dort die Berliner Blumengroßmarkthalle.

Markthalle VII

Im Jahre 1888 eröffnete die Markthalle VII zwischen Dresdener Straße und dem Luisenufer (heute Legiendamm) sowie der Buckower Straße (heute Waldemarstraße). Von ihr stehen nur noch zwei denkmalgeschützte Teile der Hauptfassade. In der Dresdener Straße ist 1947 ein Wohnhaus entstanden und am Legiendamm liegt das Restaurant Zur Kleinen Markthalle. Auch zu Zeiten der Markthalle VII befand sich dort eine Gaststätte, inklusive Wohnung im Obergeschoss.

Markthalle VIII

In Berlin-Friedrichshain entstand 1888 die städtische Markthalle VIII unweit des Andreasplatzes in der Andreas- bzw. Krautstraße. Die zwei Wochenmärkte in der Umgebung mussten schließen. Sie behauptete sich bis 1938 erfolgreich gegen die umliegende Konkurrenz (darunter Hertie und das Warenhaus Jandorf). Hertie kaufte Jandorf 1926 und stieg zu Europas größtem Warenhaus auf. Die Halle wurde im 2. Weltkrieg zerstört und später abgetragen.

Markthalle IX

Es folgte die Eisenbahnmarkthalle (heute historisches Baudenkmal) zwischen der Eisenbahn- und der Pücklerstraße am Lausitzer Platz. Sie gehört zu den drei letzten historischen Berliner Markthallen, wie die Arminiushalle in Moabit und die Ackerhalle in Mitte. Sie wurde 1891 als Markthalle IX eröffnet. Bauleiter war der freie Architekt Otto Merget. Sie bietet rd. 300 Ständen Platz. Während des 2. Weltkrieges wurde die Markthalle IX nur leicht zerstört, jedoch stark beschossen. Die Händler boten zwar rasch wieder Waren an, aber der Handel blieb in den 50er Jahren aufgrund der Rationierung von Lebensmitteln eingeschränkt. Denkmalgerecht saniert, wird sie inzwischen von der Projektgruppe Markthalle IX betrieben.

Markthalle XI

Zuletzt entstand in Kreuzberg die Marheinekehalle an der Bergmannstraße. Sie wurde 1892 als Markthalle XI eröffnet und bot 278 Ständen Platz. Im Ersten Weltkrieg Suppenküche, bot sie täglich bis zu 15.000 Menschen eine Mahlzeit. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, wurde sie unter Einbeziehung der Trümmerreste in den 1950er Jahren neu aufgebaut. Inzwischen von der Berliner Großmarkt GmbH betrieben, wurde sie 1998 renoviert und 2007 völlig umgestaltet. 50 Einzelstände handeln mit Bioprodukten und kulinarischen Spezialitäten. Sie ist ebenfalls ein Ort für kulturelle Veranstaltungen.

Shopping-Center oder Wiederbelebung

Nach einer Zeit der Wiederbelebung in den 1950er Jahren kamen die Discounter und die Shopping Center. Auch die Kleinhändler wechselten zu komplexeren Angeboten. So wurden auch Standflächen in den Hallen an Discounter vermietet. Das Interesse am tatsächlichen Markttreiben ging zurück oder es gab langjährige Leerstände.

Für die Markthalle IX zum Beispiel gab es 2009 daher zwei unterschiedliche Konzepte:

Abriss und Neubau eines modernen Einkaufzentrums mit Tiefgarage oder eine Wiederbelebung der Halle als Kiezmittelpunkt mit modernen Angeboten.

Nach Durchführung einer Unterschriftenaktion und der Vorlage einer denkmalgerechten Sanierung der Halle ließ der Senat sich überzeugen und ein Kaufvertrag konnte zwischen der Berliner Großmarkt GmbH und den Initiatoren der Projektgruppe Markthalle IX abgeschlossen werden.

Am 1. Oktober 2011 wurde sie als Markthalle IX wieder offiziell eingeweiht. Basis sind der Wochenmarkt, der an drei Tagen in der Woche stattfindet, eine Bäckerei, eine Fisch- und Fleischräucherei, eine Brauerei und eine Kantine. Ein großes Augenmerk liegt dabei auf fair, regional, saisonal und verantwortungsbewusst. Es gibt eine Plattform für diese kritischen Themen. In der Halle und in deren Umfeld finden auch Kulturveranstaltungen statt.

Text und Fotos: Harald Schulz