Stralauer „Heimatkunde“

„Auf, lasset uns nach Stralau gehn…“ heißt eine neue Ausstellung, die auf die lange und vielseitige Geschichte des seit den 1990er Jahren neu errichteten Wohngebiets an der Spree aufmerksam machen will.

Mövengeschrei jagt über den Rummelsburger See. Blässhuhnformationen treiben auf dem dezembergrauen Wasser. Bunte Boote sind an der Kaimauer festgetaut. Von steuerbord lärmt das Schulhoftreiben gegen die Wohngebietsruhe an. Mütter mit Kindern gehen auf dem Uferweg spazieren, Jogger überholen. Zwei bewaldete Inseln wachsen vor der „Küste“, hier leben Biber und Fledermaus. Über Tiere und Pflanzen auf Stralau informieren seit einigen Jahren Tafeln am Wegrand. Der Wanderer kann sich bilden und weiß, die Erlen und Weiden vor ihm als Auwald-Relikte zu erkennen.

Neuerdings unterrichten den Besucher kürzlich installierte Erklärtafeln über die „Geschichtslandschaft“ von Stralau. Boote wurden hier gebaut und Wassersport betrieben. So berichtet es am blauen Kran eine dieser 2,20 Meter hohen, bedruckten Aluminiumplatten.

Den Zugang zum Fluss suchten auch die Fabriken. Auf Stralau wurden Teppiche gewebt, Palmkerne aus den afrikanischen Kolonien zu Margarine verarbeitet, Glas geschmolzen und Bier gebraut. In den beanspruchten Gewässern lohnte sich der Fang für die Stralauer Fischer nicht mehr. Flüssiges wurde ausgeschenkt in den Fischerhäusern: die Dorfstraße wandelte sich zur „Kneipenmeile“, zu einer Simon-Dach-Straße des 19. Jahrhunderts.

In den Gartenlokalen feierten die Berliner. Karl Marx stärkte sich und debattierte hier. Paul Lincke besang die Liebesinsel. Das legendäre Gasthaus Tübbecke findet sich im Werk von Zille und Fontane wieder.

Das größte Volksfest im Umkreis fand alljährlich Ende August statt. Zu Zehntausenden kamen die Berliner zum Stralauer Fischzug. Die dionysischen Ausmaße dieses Gelages endeten 1873 im Verbot.
Der Lehrgang durch die Vergangenheit führt nun in den Untergrund. Die AEG ließ unter der Spree einen Tunnel graben, durch den ab 1899 eine Straßenbahn hinüber nach Treptow fuhr. Die Firma zeigte damit, dass der U-Bahnbau im Boden des Berliner Urstromtals machbar war. Während des Zweiten Weltkriegs suchten die vielen Zwangsarbeiter auf der Halbinsel im Tunnel Schutz vor den Bomben – ein vergessener Teil der Stralauer Geschichte. Wenig bekannt war auch, dass sich im Schulgebäude von 1952 bis 1989 eine repressive Erziehungsanstalt befand, das Durchgangsheim der DDR-Jugendhilfe.

Die Glocke der Kirchturmuhr schlägt. 1464 wurde die Dorfkirche geweiht. Sie ist das älteste Gebäude in Friedrichshain-Kreuzberg. Seit dem 7. Jahrhundert siedelten hier die Sprewanen. Die slawischen Wörter „strehla“ oder „strahla“ bedeuten Landzunge oder Pfeilkraut. 1288 wird das Fischerdorf zum ersten Mal erwähnt, seit 1358 ist Stralau im Besitz der Stadt Berlin.

Als Zentrum des Geschichtspfads ist die kleine Ausstellung im Vorbau der Kirche gedacht, die der Förderverein Stralauer Dorfkirche e. V. zusammen mit dem Friedrichshain-Kreuzberg-Museum als Beitrag zum Lutherjahr 2017 entwickelte.

Die Ausstellung in der Dorfkirche ist sonntags von 13 bis 16 Uhr geöffnet.
www.dorfkirche-stralau.de
www.geschichtspfad-stralau.de