Vivantes Klinikum am Volkspark Friedrichshain: In der Abendsonne wirken Gebäude aus verschiedenen Jahrhunderten wie ein Ensemble
Um 1850 erreichte die Einwohnerzahl Berlins die 1-Million-Marke, die medizinische Versorgung oblag aber bisher neben den Kapazitäten der Charité einzig militärischen oder religiösen Trägern sowie privaten Einrichtungen, mit sicherlich unterschiedlichen medizinischen Standards. Vor allem private Geldspender, darunter Jean Jaques Fasquel mit 50.000 Talern, übten einen gewissen Druck auf die Stadtverwaltung aus, und so beschloss der Magistrat am 28.12.1867 die Errichtung des ersten Städtischen Krankenhauses auf einem Teilstück des Volksparks Friedrichshain. Beauftragt wurde das Architekturbüro Gropius & Schmieden, unter Mitwirkung des Arztes und Abgeordneten Rudolf Virchow entstand im Anschluss das erste deutsche Pavillonkrankenhaus.

Gropius & Schmieden , Städtisches Allgemeines Krankenhaus, Berlin-Friedrichshain. (Aus: Atlas zur Zeitschrift für Bauwesen, hrsg. v. G. Erbkam, Jg. 25, 1875): Perspektivische Ansicht. Stich auf Papier, 29,6 x 45,6 cm (inkl. Scanrand). Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin Inv. Nr. ZFB 25,025,1. PDF
Entwurfszeichnung aus dem Büro von Martin Gropius und Heino Schmieden. Möglicherweise war schon bei der Eröffnung 1874 nicht ganz klar, ob die Klinik „am“ oder „im Friedrichshain“ heißen solle. Die Blattüberschrift hier wählt „im Friedrichshain“, das gezeichnete Torportal wird neutral mit „Staedtisches Allgemeines Krankenhaus“ überschrieben.
Im Oktober 1874 eröffneten die ersten Bauabschnitte mit einer Kapazität von etwa 600 Betten. Diese waren zunächst in massiven Pavillons untergebracht, die mit Quer- und Dachentlüftung sowie festen Oberflächen ohne Holzelemente modernen hygienischen Standards entsprachen.

Gropius & Schmieden , Städtisches Allgemeines Krankenhaus, Berlin-Friedrichshain. (Aus: Atlas zur Zeitschrift für Bauwesen, hrsg. v. G. Erbkam, Jg. 25, 1875): Grundriss. Stich auf Papier, 45,2 x 59,8 cm (inkl. Scanrand). Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin Inv. Nr. ZFB 25,024. PDF
Salus Intrantibus, der Wahlspruch am oft verschlossenen Eingangstor von 1874 wünscht den Eintretenden Wohlergehen, Gesundheit und Rettung aus der Not.
Der ehemalige Haupteingang liegt heute eher ruhig am Max-Fettling-Platz, Notaufnahme und Rezeption sind über die Landsberger Allee zugänglich. Die Umfassungsmauer und die beiden Torhäuser, die dort heute noch die Notfallzufahrt flankieren, sind ebenfalls erhalten.
Torhaus (ganz links) und Umfassungsmauer sind weitgehend im Original erhalten
Im nördlichen Bereich des Geländes entstand 1926/27 ein Neubau nach Plänen von Franz Meurer, der ein mehrgeschossiges Gebäude in H-Form ergänzte. Die langen Korridore, die sich dadurch ergaben, können als Weiterentwicklung des ursprünglichen Pavillonsystems gesehen werden. Zusätzlich zur Isolation und Konzentration gleichartiger Krankheitsbilder gewährleisten unverbaute und geradlinige Zugangswege nun schnellen Kontakt zwischen den Patienten und dem medizinischen Personal sowie den verschiedenen Facheinrichtungen, die nach und nach auf dem Gelände entstanden.
„Begräbnisausfahrt“: links stand einst das Leichenhaus, heute liegt hier die Pathologie
Meurer selbst entwarf auch das 1932 fertiggestellte Röntgenhaus. Der moderne, halbrunde Ziegelbau ist heute eines der wenigen im Original erhaltenen Gebäude auf dem Krankenhausgelände. Seit der Gründung spielt die Klinik eine wichtige Rolle in der medizinischen Versorgung der Berliner Bevölkerung und wurde den wachsenden Erfordernissen entsprechend laufend erweitert und umgebaut.
Die heutige Ausfahrt der Rettungsstelle: mittig die Seite des seit 1874 mehrfach umgebauten Wirtschaftsgebäudes
1950-1955 erweiterte das Atelier Kamps einige bestehende Gebäude zu einem U-förmigen Trakt, weitere Umbauten zur Poliklinik mit zentraler Rettungs- und Intensivtherapieabteilung wurden bei späteren Baumaßnahmen revidiert und sind heute nur noch aus alten Fotos und Plänen ersichtlich.
Ehemaliger Haupteingang am Max-Fettling-Platz: alter und neuer Erweiterungsbau harmonieren in Traufhöhe und Achsensymmetrie
Mit mehr als 900 Betten, einem attraktiven Gelände am beliebten Volkspark und zahlreichen Fachbereichen ist der Klinikstandort am Friedrichshain nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung in Berlin und wird – wie ein lebender Mechanismus – sicher auch in Zukunft weiter um- und ausgebaut werden.
Idee: E. Turac, Udo Bein
Fotos: Udo Bein, Sebastian Wehr
Text: Sebastian Wehr, mit Infos aus denkmaldatenbank.berlin, de.wikipedia.org und vivantes.de