
Schwechten Franz (1841-1924), Anhalter Bahnhof, Berlin: Hauptfassade des Empfangsgebäudes zum Askanischen Platz. Foto auf Karton, 43,7 x 55,2 cm (inkl. Scanrand). Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin Inv. Nr. BZ-F 08,016. PDF
1839 wurde mit dem Bau der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn, die von Berlin über Jüterbog, Wittenberg, Roßlau und Dessau nach Köthen in Anhalt führte, begonnen. Am 1. Juli 1841 erfolgte die Einweihung des ersten Anhalter Bahnhofs, der unter Leitung des Architekten Gustav Holtzmann (1804-1860) errichtet wurde.
Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches beschlossen die Aktionäre der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn-Gesellschaft im Frühjahr 1871 den „vollständigen Umbau“ des Anhalter Bahnhofs, nachdem es schon ab 1861 erste Planungen gegeben hatte.
Der aus Köln stammende Berliner Architekt Franz Schwechten (1841-1924) erhielt als Vorsteher der Hochbauabteilung der Eisenbahn-Gesellschaft den Auftrag zum Neubau des Bahnhofsgebäudes. Schwechten erbaute später auch die bekannte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin.

Schwechten Franz (1841-1924), Anhalter Bahnhof, Berlin: Gleishalle von Süden. Foto auf Karton, 44 x 55,3 cm (inkl. Scanrand). Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin Inv. Nr. BZ-F 08,017. PDF
Für den Umbau des Anhalter Bahnhofs, der von 1874 bis 1880 erfolgte, verwendete Schwechten als Material Klinker und unterschiedliche Terrakotta-Formsteine. Die Bahnhofshalle des Kopfbahnhofs hatte eine Höhe von 34 Metern und eine Binderlänge von 62 Metern. Ihre Spannweite war damals die größte in Europa.
Vom Anhalter Bahnhof fuhren Reisende nach Wien, Budapest, Triest, Marienbad, Karlsbad, Rom, Mailand, Genua, Venedig, Marseille, Nizza, Cannes, Athen und über Neapel sogar nach Afrika. Um die Jahrhundertwende fuhren täglich 85 Vorortzüge sowie 27 Personenzüge und 26 Schnell- und D-Züge.
Bald wurde der Anhalter Bahnhof Zeuge großer Staatsempfänge. Am 21. Mai 1913 traf der russische Zar Nikolaus II. zur Hochzeit der Kaisertochter Viktoria Luise am Anhalter Bahnhof ein. Im 1. Weltkrieg fuhren vom Anhalter Bahnhof Truppentransporte direkt an die Front.

Schwechten Franz (1841-1924), Anhalter Bahnhof, Berlin: Blick auf die innere Hallenwand des Kopfperrons. Foto auf Karton, 42,7 x 54,2 cm (inkl. Scanrand). Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin Inv. Nr. BZ-F 08,018. PDF
Die Luxusreisewelle in den 1920er Jahren mit den neuen komfortablen Salonwagen ermöglichte es auch dem gehobenen Bürgertum, Ferienreisen zu den beliebten Urlaubszielen an der italienischen oder französischen Riviera, der Nord- und Ostseeküste oder in den Schweizer Alpen zu unternehmen.
Ab 1928 war der Bahnhof durch den Excelsior-Tunnel direkt mit dem Hotel Excelsior verbunden. Am Askanischen Platz traf sich in den 1920er und 1930er Jahren die Schickeria von Berlin.
Im November 1939 ging der südliche Teil der Berliner Nordsüd-S-Bahn vom Bahnhof Potsdamer Platz zur Anhalter und Wannseebahn in Betrieb. Im Anhalter Bahnhof entstand ein unterirdischer S-Bahnhof mit zwei Bahnsteigen.
Ab Juni 1942 erfolgten auch vom Anhalter Personenbahnhof Deportationen älterer jüdischer Berliner in das KZ Theresienstadt. Insgesamt wurden vom Anhalter Personenbahnhof in 116 Zügen über 9.600 Menschen deportiert.
Bei den alliierten Luftangriffen am 3. Februar 1945 wurde die Bahnhofshalle schwer beschädigt und brannte völlig aus. Die Stahlkonstruktion des Hallendaches stürzte ein.
Nach der Sprengung der Bahnhofshalle 1959 blieb 1961 nur noch der Portikus mit einem Teil der überdachten gemauerten Vorfahrt stehen. 2003 bis 2005 wurde die Portikusruine saniert und gesichert.