Heinz von Perckhammer (1895–1965): „Berliner Zeit“ 1927–1944

Heinz von Perckhammer, ohne Titel, um 1939, © Perckhammer-Archiv, Innsbruck

Die Berlinische Galerie zeigt noch bis zum 11. März 2019 in ihrer Sammlungspräsentation in einem eigenen Ausstellungsraum rund 40 Fotos des in Meran geborenen und auch dort gestorbenen Bildjournalisten und Fotografen Heinz von Perckhammer, die zwischen 1927 und 1944 entstanden sind. Im Rahmen des Thomas-Friedrich-Stipendiums für Fotografieforschung beschäftigte sich Kathrin Schönegg 2017 mit dem Leben des Fotografen und seinem fotografischen Schaffen während dessen „Berliner Zeit“.

Heinz von Perckhammer, ohne Titel, um 1937, © Perckhammer-Archiv, Innsbruck

Initiiert und finanziert durch den Fotosammler und Fotohistoriker Manfred Heiting (The Heiting Library Trust) wird es seit 2014 jungen Wissenschaftler*innen ermöglicht, jeweils für die Dauer eines Jahres, einzelne Konvolute der Fotografischen Sammlung zu erforschen. Manfred Heiting ist es, wie er im Pressegespräch betonte, besonders wichtig, dass die Museen „mit dem etwas tun, was sie haben“.

Grundlage der vorgestellten Forschungsarbeit von Kathrin Schönegg waren dabei 160 Fotografien von Heinz von Perckhammer in der Fotografischen Sammlung der Berlinischen Galerie. Diese Arbeiten stammen aus dem ehemaligen Bildarchiv der völkisch-konservativen Zeitschrift „Volk und Welt“, die von 1934 bis 1944 erschienen ist.

Während der Weimarer Republik war Heinz von Perckhammer mit seinen aufsehenerregenden Bildern aus China und mit Aufnahmen, die sich an der Bildsprache der Moderne orientierten, ein national und international erfolgreicher Fotograf. Von ihm erschienen in diesen Jahren nicht nur Fotos in Zeitungen und Zeitschriften, sondern auch mehrere Bildbände.

So erinnerte sich sein heute viel berühmterer Kollege Helmut Newton (Helmut Neustädter, 1920 – 2004) in seiner Autobiografie daran, dass er Mitte der Dreißiger Jahre von Perckhammers Genre-Fotos junger blonder Frauen im weißen BWM-Sportwagen bewunderte, was ihn nicht unerheblich in dem Wunsch bestärkte, selbst Fotograf zu werden.

Heinz von Perckhammer, ohne Titel, um 1937, © Perckhammer-Archiv, Innsbruck

Die Mehrheit der in der Sammlung ausgestellten Bilder entstammen der Zeit der NS-Herrschaft (1933–1945). Trotz ihres modernen Fotografiestils sind sie Teil der NS-Propaganda. Sie offenbaren auch in ihrer Bildästhetik, wie sich der Fotograf  den politischen Machtverhältnissen nach 1933 angepasst hat. Damit ist sein Werdegang beispielhaft für viele andere Fotograf*innen, die ihre berufliche Karriere auch unter den Bedingungen einer Diktatur erfolgreich fortsetzten.

Heinz von Perckhammer, ohne Titel, um 1938, © Perckhammer-Archiv, Innsbruck

Ohne die Biografie des Fotografen zu kennen, ist es vermutlich schwer, sich seinem heute weitgehend unbekannten Werk zu nähern. Wer war Heinz von Perckhammer?

Der aus Südtirol stammende Heinrich von Perckhammer wurde am 3. März 1895 in Meran, Osterreich-Ungarn, als Sohn des Meraner Fotografen Hildebrand von Perckhammer geboren. Das Fotoatelier hatte der Vater schon 1878 gegründet. Als dieser 1911 verstarb, löste seine Frau Johanna Fiala das Atelier auf. Heinz von Perckhammer wollte lieber die Münchner Kunstakademie besuchen.

Doch stattdessen ging er 1913 als Steuermatrose zur Marine und fuhr auf dem kleinen Kreuzer „SMS Kaiserin Elisabeth“ der 7. Kompanie des Matrosenkorps von Pola nach China. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, nahm das stark veraltete Kriegsschiff auf deutscher Seite an den Kämpfen mit den Japanern teil und wurde von der Besatzung nach Munitionsmangel in der Bucht von Tsingtau versenkt.

Heinz von Perckhammer entging der japanischen Gefangennahme, weil er sich mit anderen Kameraden noch in Tientsin aufhielt, wo er im Dienst des österreichischen Marine-Detachements verblieb. In dieser Zeit liegen vermutlich auch die Anfänge seines fotografischen Schaffens. Erst als China in den Ersten Weltkrieg eintrat, wurde er von August 1917 bis 1919 in China interniert. Nach seiner Entlassung blieb Heinz von Perckhammer in China und arbeitete als Fotograf.

Er reiste viel im Land umher und fotografierte u. a. auch im Auftrag der chinesischen Regierung Menschen, Städte, Dörfer und Landschaften. Fotoaufträge führten ihn auch in die Mongolei und nach Tibet. In Tientsin leitete er einen Kodak-Shop der Eastman Company.

1927 ging er mit 16.000 Negativen aus China nach Europa zurück und eröffnete 1928 unter dem noch heute modern klingenden Namen „Photo-Art-Studio“ ein eigenes Atelier am  Kurfürstendamm 53 in Berlin W.15. Im Berlin der Endzwanziger waren seine Fotos gefragt. Von Perckhammer hatte großen Erfolg. Im gleichen Jahr heiratete er Herta Willamowski.

Er publizierte Fotobände wie „Peking“ (1928), „Von China und Chinesen“ (1930) sowie „Edle Nacktheit in China: Künstlerische Aktaufnahmen“ (1928). Die Aktfotos machte Heinz von Perckhammer im Rotlichtviertel von Macao. Heute gelten die künstlerischen Aktaufnahmen als älteste in der chinesischen Geschichte der Fotografie.

Er lieferte Fotos aus dem Gesellschaftsleben, vom Motorsport, aus der Welt der Mode und von schönen Frauen für Zeitungen, Zeitschriften und Verlage. 1929 fotografierte er für die „Die Woche“ (Scherl Verlag) exklusiv die Weltumrundung des Luftschiffes LZ 127 Graf Zeppelin.

Heinz von Perckhammer verstand sich als „künstlerischer Pressefotograf“. Zu seinen fotografischen Arbeitsgebieten gehörten von 1927 bis 1942/44 Reportagen, Genrebilder, Porträts und Aktfotografien.

1933/34 war von Perckhammer Mitglied im Reichsverband Deutscher Bildberichterstatter e. V. 1936 wurde er im Zusammenhang mit seinen Aktaufnahmen wegen der „Verbreitung pornografischer Inhalte“ zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.000 RM verurteilt. Am 10. Februar 1937 erließ Hitler einen Gnadenerlass.

Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges war von Perckhammer 1941/42 als Kriegsberichterstatter und Propaganda-Fotograf im Einsatz. Er fotografierte in Polen, Frankreich, Norwegen, Lappland, Finnland und Russland. Er war jedoch kein Fotograf einer Propagandakompanie, obwohl er Uniform trug, und fotografierte auch keine Front- und Kampfeinsätze. Seine Fotos, u. a. von sowjetischen Kriegsgefangenen und von jüdischen Menschen in einem Ghetto, waren für den NS-Propagandaeinsatz bestimmt.

Heinz von Perckhammer, ohne Titel, um 1937, © Perckhammer-Archiv, Innsbruck

Als im Jahr 1942 sein Berliner Atelier von Bomben getroffen wurde, waren viele Aufnahmen und Negative für immer verloren.

Noch vor dem Kriegsende im Jahr 1945 ging von Perckhammer zurück in seine alte Heimat nach Meran, das seit 1918 zu Italien gehörte. Hier eröffnete er 1947 ein Atelier am Theaterplatz und wandte sich der Studio- und Landschaftsfotografie zu. Jetzt war Heinz von Perckhammer wieder italienischer Staatsbürger, denn er hatte 1939 in Südtirol „optiert“ und die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen.

In den folgenden Jahren publizierte er seine Fotoaufnahmen meist nur noch als Ansichtskarten. Er fotografierte auch mit Farbmaterial. Am 3. Februar 1965 starb Heinz von Perckhammer in Meran an einem Herzinfarkt kurz vor seinem 70. Geburtstag.

Seit Januar 2014 gibt es an der Berlinischen Galerie das Thomas-Friedrich-Stipendium für Fotografieforschung. Das Forschungsthema wird von einer Fachjury bestimmt. Die Ergebnisse der Thomas-Friedrich-Stipendien werden in der Museumspublikationsreihe „Forschungsberichte“ veröffentlicht.

Die Berlinische Galerie verfügt über eine der bedeutendsten Sammlungen zur künstlerischen Fotografie in Deutschland. In der Sammlungspräsentation zeigt sie den Beitrag Berlins für die Entwicklung des Mediums von etwa 1900 bis 1980.

Als Auftakt sind die frühe Straßenfotografie um 1900 (Heinrich Zille) und die zeitgleich entstehende Kunstfotografie (Karl Schenker) zu sehen. Darauf folgt die Fotografie des Neuen Sehens (Marta Astfalck-Vietz) in den 1920er Jahren und die journalistische Fotografie dieser Zeit (Erich Salomon).

Bilder aus der völkisch-konservativen Zeitschrift „Volk und Welt“ (Erna Lendvai-Dircksen) illustrieren die heute seltsam anmutende Verquickung von Moderne und Propaganda.

Die unmittelbare Nachkriegszeit wird in journalistischen Aufnahmen (Georgij Petrussow) aus den späteren 1940er Jahren erlebbar. Aus den 1950er Jahren stammen abstrakte Kompositionen, die der Richtung der subjektiven Fotografie zugerechnet werden müssen (Fritz Kühn). Den Abschluss bildet die Autorenfotografie der 1970er Jahre (Christian Borchert).

Berlinische Galerie
Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur
Alte Jakobstraße 124 – 128
10969 Berlin
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Montag: 10:00 – 18:00 Uhr

Internet: www.berlinischegalerie.de