Die Knorrpromenade

Die Knorrpromenade in Berlin-Friedrichshain ist ein besonderes Beispiel für bürgerliche Wohnkultur und städtebauliche Innovation im frühen 20. Jahrhundert. Ihre Entstehung verdankt sie maßgeblich der Initiative der Friedrichsberger Bank, die das Projekt zwischen 1911 und 1913 ins Leben rief. In einer Zeit, in der Friedrichshain überwiegend von Arbeiterquartieren geprägt war, verfolgte die Bank das Ziel, eine exklusive Wohnanlage für wohlhabende Bürger zu schaffen.

Um dieses ambitionierte Vorhaben abzusichern, gründete sie die Grunderwerbsgesellschaft Wühlisch-Park m.b.H, in die die Bauherren als Gesellschafter eingebunden wurden. Diese Konstruktion stellte sicher, dass das finanzielle Risiko bei einem Rückzug eines Bauherrn minimiert wurde, da das Eigentum an die Bank zurück fiel. So entstand eine enge, von wirtschaftlichem Kalkül geprägte Beziehung zwischen Bank und Bauherren, die beiden Seiten Planungssicherheit und Kontrolle garantierte.

Die architektonische Vielfalt der Knorrpromenade ist das Ergebnis der Zusammenarbeit mehrere namhafter Architekten, die jeweils individuelle Häuser entwarfen und so das abwechslungsreiche Bild der Straße prägten. Die Handschriften von Paul Thomas (Knorrpromenade 1), Emil Grosse (Knorrpromenade 2), Richard Hinrichs (Knorrpromenade 3), Franz Schubert (Knorrpromenade 3,5), Ernst Krug (Knorrpromenade 4), Albert Schleusener (Knorrpromenade 7), Anton Mowiak (Knorrpromenade 8) und Walter Wilutzky (Knorrpromenade 9,10) spiegeln sich in den Fassaden, den kunstvoll gestalteten Eingängen und den für Friedrichshain ungewöhnlichen Vorgärten wieder. Diese Gärten, die im Sommer liebevoll bepflanzt werden, unterstreichen den bürgerlichen Anspruch der Anlage und heben sie deutlich von der umliegenden Bebauung ab.

Obwohl Ernst Theodor Georg Knorr (* 19. Oktober 1859 in Ruda bei Neumark, Kreis Löbau, Westpreußen; † 15. April 1911 in Davos, Schweiz), der bedeutende Industrielle, Gründer und Entwickler der Eisenbahn-Druckluft-Bremse (Knorr-Bremse), nicht direkt an der Planung oder dem Bau beteiligt war, trägt die Promenade seinen Namen als Anerkennung für seinen prägenden Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung des Stadtteils. Die Nähe seiner Fabrik und sein unternehmerisches Wirken verliehen dem Quartier einen industriellen Aufschwung, der wiederum die Voraussetzung für die Entstehung solch eines ambitionierten Wohnprojekts schuf. Die Benennung der Straße ist somit eine Hommage an seine Verdienste für die Region.

Im Laufe der Geschichte musste die Knorrpromenade einige Rückschläge verkraften. Während des Zweiten Weltkriegs wurden Teile der Anlage, darunter die repräsentativen Schmuck Tore aus Sandstein, schwer beschädigt. In den Nachkriegsjahren verfielen die verbliebenen Tore zunehmend, bis engagierte Anwohner im Verein KiezGestalten e.V. die Initiative zur Restaurierung ergriffen. Zum 100. jährigen Jubiläum der Promenade konnten die Tore an der Wühlischstraße wiederhergestellt werden, und auch der Wiederaufbau der zerstörten Tore an der Krossener Straße wurde in Angriff genommen.

Heute steht die Knorrpromenade als Gesamtanlage unter Denkmalschutz und vermittelt einen lebendigen Eindruck, wie sich bürgerliches Wohnen und städtebauliche Ambitionen in Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts verwirklichten. Sie ist ein Zeugnis für die enge Verflechtung von Wirtschaft, Architektur und Stadtentwicklung, das bis heute den vielschichtigen Charakter des Viertels prägt.

Text und Fotos: M. F.