Friedhof der Märzgefallenen – Eine Gedenkstätte für zwei Revolutionen

Über den Ernst-Zinna-Weg betritt man den Friedhof der Märzgefallenen am südlichen Ende des Volksparks Friedrichshain. Ein leicht ansteigender Weg führt uns an sechs Stelen zum Gedenken an die Novemberrevolution 1918 und an einem 30 Meter langen Seecontainer mit einer Ausstellung zur Märzrevolution von 1848 vorbei.

Nach wenigen Schritten durchquert man ein niedriges Tor und gelangt in die rechteckige Begräbnisanlage, die von einer niedrigen Mauer eingefasst ist. Als Erstes fällt der Blick auf das quaderförmige zentrale Gedenkmonument. Auf der Vorderseite trägt es die Inschrift: „Den Toten 1848/ 1918. Das Denkmal habt ihr euch selbst errichtet, dass unser Volk niemals darauf verzichtet wofür ihr starbt – einig und frei zu sein“. Auf der Rückseite sind die Namen der 255 Gefallenen der Märzrevolution von 1848 aufgeführt. Schlichte quadratische Grabsteine und gusseiserne Kreuze umfassen an der Nord-, Ost- und Südseite eine Rasenfläche.

Auf der westlichen Seite liegen die 29 Gräber der Gefallenen der Novemberrevolution 1918, an die drei liegende, gewölbte Steinplatten erinnern. Die Linke trägt den Ausspruch: „Gründet fest die Herrschaft der Arbeiterklasse, seid entschlossen gegen jeden, der sich widersetzt.“ von Karl Liebknecht. Auf der Rechten ist ein Zitat von Walter Ulbricht: „Die Vorhut der Arbeiterklasse hat in der Novemberrevolution heroisch gekämpft.“ Auf der Mittleren sind 33 Namen von Gefallenen eingraviert, nachweislich mehr als hier bestattet sind.

Auf der Mauerecke links vom Eingang wurde 1960 die Bronzestatur „Roter Matrose“ von Hans Kies (1910 – 1984) errichtet.

Nach der Niederlage Napoleons 1815 bildete sich der Deutsche Bund aus 41 Königreichen, Kurfürstentümern, Herzogtümern Fürstentümern und freien Städten. Diese waren in der ständig tagenden Bundesversammlung in Frankfurt am Main vertreten und hatten die Aufgabe, ein Grundgesetz für den Bund zu schaffen. Es entstanden Forderungen nach Presse- und Redefreiheit, Amnestie politischer Verurteilten, freiem Versammlungs- und Vereinigungsrecht, unabhängigen Geschworenengerichten, Volksbewaffnung mit freier Offizierswahl, allgemeiner Volksvertretung und einem deutschen Nationalstaat mit einheitlicher Verfassung.

Allerdings wurde die Verfassung in einigen deutschen Staaten wie Preußen oder Österreich nicht eingeführt. Dadurch bildete sich allmählich überall im Bund Widerstand. In den Jahren der Restauration (1815 – 1848) versuchte der Adel die Verhältnisse von vor 1789 wiederherzustellen, indem unter anderem Napoleons bürgerliches Gesetzbuch, der „Code civil“, rückgängig gemacht wurde. Ferner wurden die Pressefreiheit eingeschränkt und die Burschenschaften verboten.

Neben politischer Unzufriedenheit führten auch soziale und wirtschaftliche Missstände in den meisten deutschen Ländern zu Unmut. Eine schwere Missernte im Jahr 1846 sorgte für Hungersnöte, Hungerrevolten und Massenarmut. Dadurch sank die Kaufkraft, worunter wiederum die Textilindustrie und das Handwerk litten.

Durch die Industrialisierung entstand der „Vierte Stand“, die Arbeiterklasse. Sie lebte unter dem Existenzminimum in Elendsvierteln und war ständig von Arbeitslosigkeit bedroht.

Nach dem Vorbild der französischen Februarrevolution von 1848, die die Abdankung König Louis Philippe zur Folge hatte, revolutionierten in Europa zahlreiche Länder. Zu diesen Ländern zählten auch Preußen, Baden, Sachsen, Bayern, Koblenz und Trier.

In Berlin formierte sich vom 06. bis 18. März 1848 eine bürgerliche Protestbewegung mit Unterstützung der Arbeiterschicht. Es kam zu sich steigernden Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und preußischen Heerestruppen. Erst als eine Revolution unausweichlich schien, entschied sich König Friedrich Wilhelm IV., die Forderungen der Bevölkerung teilweise zu erfüllen.

Am 18. März 1848 verkündete er vor tausenden jubelnden Berlinern auf dem Schlossplatz die Aufhebung der Pressezensur und die politische Neugestaltung des Deutschen Bundes. Seine Rede und die des Ministerpräsidenten gingen allerdings im tosenden Beifall unter. Als die jubelnde Menge sich nicht auflösen wollte, entschied der König den Schlossplatz von Soldaten räumen zu lassen. Dabei fielen – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – zwei Schüsse, die Menschen flohen in Panik.

Innerhalb weniger Stunden wurden etwa 200 Straßenbarrikaden errichtet. Die Verteidiger waren überwiegend Handwerker, Arbeiter und Studenten. In den folgenden Stunden gelang es dem Militär nach und nach die Barrikaden zu erobern. In den frühen Morgenstunden des 19. März 1848 endeten die Auseinandersetzungen und der König befahl dem Militär den Abzug aus der Stadt.

Auf Seiten der Bürger waren 255 Opfer zu beklagen, unter den Soldaten hatte es ca. 200 Tote gegeben. Die Gefallenen wurden im Schlosshof aufgebahrt und der König wurde genötigt, seinen Hut vor ihnen zu ziehen. Am 22. März 1848 wurden die ersten 183 zivilen Opfer der Barrikadenkämpfe auf dem Friedhof der Märzgefallenen im gerade entstehenden Volkspark Friedrichshain beigesetzt. Der Trauerzug von der Neuen Kirche, in der der Gottesdienst gehalten wurde, zum Friedhof wurde von 20 000 Teilnehmern begleitet.

Theodor Fontane (1819 – 1898) beschreibt als Augenzeuge in seiner Autobiografie „Von Zwanzig bis Dreißig“ seine Eindrücke von den Ereignissen am 18. und 19. März 1848. Darin bezeichnet er den Rückzug der Armee nicht als Sieg des Volkes, sondern als bloßes königliches Gnadengeschenk, das jederzeit zurückgenommen werden kann. Was dann auch sieben Monate später geschah. So gelangte Fontane zu der Überzeugung von der absoluten Unbesiegbarkeit einer wohldisziplinierten Truppe gegenüber einem Volksaufstand. „Volkswille war nichts, königliche Macht war alles“.

Allerdings kam Fontane vierzig Jahre später zu der Auffassung, dass Revolutionäre mit der Zeit immer den offiziellen Truppen überlegen sind, „vorausgesetzt, dass ein großes und allgemeines Fühlen in dem Aufstand zum Ausdruck kommt“.

Im November 1918 war dann die Zeit reif für eine Revolution mit tiefgreifenden politischen Veränderungen.

Die Ursachen für die Novemberrevolution von 1918 lagen in der sich abzeichnenden militärischen Niederlage des Deutschen Reiches, in der jahrzehntelangen Verweigerung innerer Reformen und der wirtschaftlichen Notlage. Außerdem sehnte sich das deutsche Volk nach einem raschen Ende des Weltkrieges, der 1914 begonnen hatte.

Der eigentliche Auslöser war der Plan der deutschen Seekriegsleitung einen militärisch sinnlosen Angriff auf die britische Flotte im Ärmelkanal durchzuführen. Um nicht auf eine „Todesfahrt“ geschickt zu werden, meuterten die Matrosen in Kiel, indem sie die Feuer unter den Kesseln löschten und die Ankerlichtmaschinen zerstörten. Sie bildeten Soldatenräte, bewaffneten sich und entwaffneten ihre Offiziere. Innerhalb weniger Tage lösten reisende Matrosengruppen auch in Binnenland eine revolutionäre Welle aus, in deren Folge Arbeiter-und Soldatenräte die Macht übernahmen.

In Berlin setzte sich bei der Reichsregierung die Überzeugung durch, dass sich erst nach Abdankung von Kaiser und Kronprinz ein Friedensabschluss mit den Alliierten erreichen ließe. Mitgetragen von der MSPD, der USPD und der Spartakus-Gruppe begann am 09. November 1918 die Revolution mit einem Generalstreik der größten Betriebe. Das Polizeipräsidium und andere wichtige Gebäude wurden besetzt und in der Innenstadt kam es zu Massendemonstrationen.

Währenddessen gab der Reichskanzler Max von Baden eigenmächtig den vollständigen Rücktritt von Kaiser und Kronprinz bekannt. Um 2 Uhr nachmittags am 09. November 1918 rief Philipp Scheidemann vom Reichstag die „Deutsche Republik“ aus. Zwei Stunden später rief dann Karl Liebknecht vom Balkon des Stadtschlosses die „Freie Sozialistische Republik Deutschland“ aus.

Der Friedhof der Märzgefallenen wurde schon 1848 zu einem wichtigen Gedenk- und Demonstrationsort. Im Juni 1848 fand die erste große Demonstration mit 100.000 Teilnehmern statt. Am ersten Jahrestag zogen Tausende, hauptsächlich Arbeiter, trotz großem Polizei- und Militäraufgebot zum Friedhof.

Im nächsten Jahr verbot das Preußische Staatsministerium den Zutritt zum Friedhof am 18. März. In den folgenden Jahren wurde immer wieder von Seiten des Berliner Magistrats der Versuch unternommen, die Toten umzubetten. Auch gab es Pläne, an Stelle des Friedhofs einen Bahnhof zu errichten. Erst 1861 wurde der Zutritt uneingeschränkt erlaubt.

Zum 25. Jahrestag kam es abermals zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen einer großen Menschenmenge und der Polizei. Es gab immer wieder Versuche, den Friedhof mit einem Denkmal aufzuwerten, die jedoch regelmäßig von Seiten des Berliner Magistrats, des Ministerrats oder des Polizeipräsidiums verhindert wurden.

Erst in den 20ger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde der Friedhof durch ein neues Portal aufgewertet, dabei wurden auch die verbliebenen Grabsteine und -kreuze in der heute erhaltenen Weise an drei Seiten des Friedhofs angeordnet.

Zum 100-jährigen Jubiläum wurde der Gedenkstein in der Mitte des Friedhofs enthüllt. Seit 1992 finden jährlich Gedenkfeiern statt, bei denen der Präsident oder die Präsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin traditionell einen Kranz niederlegt.