Wanderung durch Fontanes verlorenes Friedrichshain und Kreuzberg

Alt Stralau – Wiesenplan

Zu Theodor Fontanes 200-jährigen Geburtstag wollen wir uns auf eine kleine Spurensuche nach Orten und Schauplätzen seines Lebens und das seiner Protagonisten machen. Ein Großteil davon existiert allerdings nicht mehr. Viele Gebäude wurden durch neue ersetzt oder im Krieg zerstört und Straßen erhielten andere Namen.

Wir beginnen unsere Wanderung an einer der wenigen Örtlichkeiten, die heute noch erhalten sind: der „Wiesenplan“ neben der Kirche von Stralau, das damals noch ein Vorort Berlins war. Hierher haben die van der Straatens in „L‘Adultera“  (Kap.8f) mit Freunden einen Sommerausflug unternommen. Man vertreibt sich die Zeit mit allerlei Spielen und zog später dann in „Löbbekes Kaffeehaus“, wofür Tübbekes Kaffehaus auf Stralau als Vorbild diente. Die Gesellschaft setzt danach mit Booten über die Spree nach Treptow. Während der Überfahrt gesteht Ebenezer Rubehn  der verheirateten Melanie van der Straaten seine Liebe, was letztendlich zu Melanies Ehebruch führt.

Rummelsburger Bucht – Sintflut 

Wir begeben uns nun an das Ende der Rummelsburger Bucht zum hochgelegenen Stralauer Bahnhof. Den Blick über den Rummelsburger See nutzt das künstlerische Allroundtalent Sophie von Poggenpuhl in „Die Poggenpuhls“ (Kap.12) als Vorlage für das Sintflut-Gemälde in der protestantischen Dorfkirche von Adamsberg (Riesengebirge).

Köpenicker Straße

Mit S- und U-Bahn geht es von der Rummelsburger Bucht zum U-Bahnhof Schlesisches Tor. Gleich um die Ecke in der Köpenicker Straße lagen die Villa und die Holzhandlung von Otto Treibel in „Frau Jenny Treibel“ (Kap 2-5, 8f, 13-14, 16). Etwas nördlicher in der Köpenicker Straße befand sich die Villa des Berliner Kommerzienrats und Besitzer einer benachbarten Fabrik für Berlinerblau Treibel (Kap 2-5, 8f, 13-14, 16). „Diese Villa war ein Hochparterrebau mit aufgesetztem ersten Stock, welcher jedoch, um seiner niedrigen Fenster willen, eher den Eindruck eines Mezzanins als einer Beletage machte.“ (Fontane).

Görlitzer Bahnhof

Von der Köpenicker Straße biegen wir links in die Eisenbahnstraße, die uns über den Lausitzer Platz direkt zum Görlitzer Bahnhof bringt. Hier kommen  in „Irrungen, Wirrungen“  (Kap 14)  Lene Nimptsch und Botho von Rienäcker nach einem zweitägigen Ausflug zu Hankels Ablage in Zeuthen an. Die Stimmung der beiden ist niedergeschlagen, da ihnen bewusst geworden ist, wie sehr die Standesunterschiede sie doch trennen.

Haus Bethanien

Hier verlassen wir eine Weile die fiktive Welt Fontanes und wenden uns seiner realen zu. Als Vierzehnjähriger kommt Fontane 1833 erstmals nach Berlin. In den vierziger Jahren, nach Abschluss der Lehrzeit, verließ er zwar zeitweise die Stadt, doch ab Anfang 1859 blieb er für immer in Berlin. Während dieser Jahrzehnte lebte Fontane in mehr als fünfzehn Berliner Wohnungen, die alle bis auf eine heute nicht mehr bestehen. Diese Ausnahme wollen wir als erstes aufsuchen. Es ist das ehemalige Diakonissenkrankenhaus Bethanien. Hier wohnte Fontane  vom 1. Oktober 1848 bis zum 30. September 1849, um zwei Schwestern zum Apothekendienst auszubilden.

Puttkammer Straße

Nach seiner Hochzeit mit Emilie zogen sie 1850 in die Puttkammer Straße, eine kleine Verbindungsstraße zwischen Wilhelm- und Friedrichstraße. Das Wohnhaus war 1847 gebaut worden. Die Fontanes bewohnten dort eine Vierzimmerwohnung im ersten Stock zu der verhältnismäßig hohen Miete von vierhundert Talern im Jahr.

Mehringdamm

Im November 1857 zogen die  Fontanes als „Trockenwohner“ in den südlichen Nachbarort Tempelhof. Das  neuerbaute Haus mit seinen preiswerten Wohnungen lag in der Tempelhofer Straße 51. Heute gehört die Straße, die später Belle-Alliance-Straße hieß und heute den Namen Mehringdamm trägt, zum Ortsteil Kreuzberg.

Alte Jakobstraße

Nach der Kündigung der Wohnung in der Tempelhofer Straße zum 1. Oktober 1862 fanden die Fontanes für Ende September 1862 in der Luisenstadt in der Alten Jakobstraße 171 im linken Erdgeschoss  eines vierstöckigen Hauses eine Wohnung.

Königgrätzer / Dessauer Straße

In der Alten Jakobstraße blieben sie fast ein Jahr bis zum 1. Oktober 1863, dann erfolgte der nächste Umzug. Fontane hatte eine Wohnung im 1. Stock  in der Hirschelstraße 14 gefunden. Hier werden die Fontanes fast zehn Jahre leben. !866 erleben sie die Umbenennung ihrer Straße in Königgrätzer Straße. Später wurde sie in Saarlandstraße umbenannt und heute heißt sie Stresemannstraße. In dieser Wohnung schrieb Fontane die größten Teile seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Die Wohnlage an der Ecke zur Dessauer Straße ermöglichte es Fontane mit einem kleinen Fußmarsch zu seinen Redaktionsräumen der Neuen Preußischen Zeitung, auch Kreuzzeitung genannt, zu gelangen. Diese lagen zeitweilig in der Königgrätzer Straße und in der Dessauer Straße, in der die Fontanes früher auch schon kurzzeitig gelebt haben.

Hafenplatz

Wir schlendern nun in der Dessauer Straße das kurze Stück hinunter zum Hafenplatz. Hier wohnten „Cecilie“ (Kap 17-20, 23,26, 28g) und ihr wesentlich älterer Mann Pierre von St. Amaud in einer Beletage Wohnung. Mehrere Besuche führen Robert von Gordon in diese Wohnung. Er verliebt sich in Cecilie bis es zum Eklat kommt und er in einem Duell mit Amaud stirbt.

Anhalter Bahnhof

Nun kehren wir zum Anhalter Bahnhof zurück und nochmals zu „Irrungen, Wirrungen“ (Kap 24). Hier holt Botho von Rienäcker seine Frau Käthe (geborene von Sellenthin) ab, die zur Kur in Bad Schlangenbad war.

Da wir uns jetzt wieder in der Königgrätzer Straße befinden, machen wir noch eine Stippvisite bei einer Nachbarin der Fontanes, bei „Effi Briest“ (Kap 32-34). Nach ihrer Scheidung und dem Duelltod ihres Liebhabers ist sie in die Könggrätzer Straße zwischen Askanischem Platz und Halleschem Tor gezogen. Von der im 3.Stock gelegenen Zweizimmerwohnung werfen wir einen Blick über die Bahngleise des Anhalter- und Potsdamer Bahnhofs bis hin zur St.-Matthäi-Kirche.