Lilienthalstraße

Die Lilienthalstraße mit der Straßennummer 02801 ist eine merkwürdige Straße und zählt damit zu den vielen Berliner Merkwürdigkeiten verwaltungstechnischer Art. Damit ist sie gewissermaßen auch wieder eine Sehenswürdigkeit.

Mit der Kamera mache ich mich an diesem frühen Mittwochnachmittag auf den Weg zum Südstern, um die Lilienthalstraße zu erkunden. Die Sonne, die heute endlich mal wieder scheint, steht, typisch für die kalte Jahreszeit, sehr tief.

Während ich gern fotografiere und mich auf meine Motive konzentriere, zieht ein anderer vielleicht eher mehr körperliche Aktivitäten vor. Demjenigen sei ein längerer Stadtspaziergang entlang der Lilienthalstraße zum Tempelhofer Feld empfohlen.

Während der östliche Teil der Straße im Sonnenlicht badet, liegt der Westteil im Schatten: Fotografenpech. Dafür spiegeln sich die Sehenswürdigkeiten der Neuköllner Seite der Lilienthalstraße sehr schön in den Glasfenstern der Häuser auf der Kreuzberger Seite.

Man kann im nördlichen Teil dieser Straße (kleine Hausnummern z. B. 3, 4, 5, 6 …) wohnen, man besitzt die gleiche Postleitzahl 10965 und ist entweder Bewohner von Friedrichshain-Kreuzberg oder von Neukölln.

Benannt wurde die Straße am 7. Januar 1928 nach Otto Lilienthal (1848 – 1896), was nahe liegt, weil sie an der Kreuzung Züllichauer Straße bis zum Tempelhofer Feld und damit zum ehemaligen Flughafen Tempelhof führt. Ab dieser Kreuzung gehört sie vollständig zum benachbarten Bezirk Neukölln.

Bis besagter Kreuzung gilt, dass die geraden Hausnummern auf der Westseite zum Ortsteil Kreuzberg gehören und die östlichen ungeraden Hausnummern zum Berliner Stadtbezirk Neukölln. Der Karte nach befindet man sich auf der Fahrbahn und den Bürgersteigen noch in Kreuzberg.

Kurios ist auch die innerbezirkliche Zuordnung des Sozialraums Lilienthalstraße zum Prognoseraum Kreuzberg Süd, der Bezirksregion Tempelhofer Vorstadt und dem Planungsraum Chamissokiez in Friedrichshain-Kreuzberg.

Wer sollte die Straße kennen? Natürlich jeder, der den päpstlichen Nuntius in der Nr. 3a (Neukölln), die St.-Johannes-Basilika in der Nr. 5 (Neukölln) oder das auf dem Gelände der Basilika befindliche Luftschifferdenkmal besuchen möchte.

Die St.-Johannes-Basilika wurde von 1894 bis 1897 als katholische  Garnisonkirche nach Entwürfen des Architekten August Menken im
rheinisch-romanischen Stil erbaut. Gemeinsam mit St. Johannes entstand die  evangelische Garnisonkirche am Südstern. Die feierliche Einweihung der beiden Kirchen erfolgte zusammen am 8. Mai 1897 in Gegenwart des Kaisers Wilhelm II.

Die Tradition als Garnisonkirche führt die St.-Johannes-Basilika seit 2005 als Bischofskirche des katholischen Militärbischofs für die Bundeswehr am Sitz der Bundesregierung fort. Seit 2004 ist die St.-Johannes-Basilika außerdem die neue Kirche der polnisch-muttersprachlichen Gemeinde.

Auf dem Gelände der St.-Johannes-Basilika steht auch eine Stele mit einer Büste, die an den Hl. Johannes Paul II. erinnert. Im Hintergrund ist der Sitz der apostolischen Nuntiatur zu sehen. Dieser Bau wurde im Jahr 2001 fertiggestellt.

Tympanon mit Sandsteinrelief: Der hl. Johannes der Täufer predigt römischen Soldaten. Darunter ist das Wappenemblem einer Basilica minor angebracht.

Rechts vom Eingang zum Kirchhof ist die Bronze-Skulptur eines „Luftschiffers“ in Fliegermontur zu sehen. In den Sockel des Denkmals wurde die Inschrift „DEN DEUTSCHEN LUFTSCHIFFERN 1914 – 1918“ eingemeißelt.

Das Luftschiffer-Denkmal wurde vom Bildhauer Victor Heinrich Seifert (1870 – 1953) geschaffen. Es entstand 1930. Nach dem Ersten Weltkrieg hat Seifert für viele deutsche Orte und Städte „Kriegerdenkmäler“ entworfen.

Victor Seifert ging in Wien und München zur Schule. Später studierte er am Kunstgewerbemuseum Wien. Zu Fortsetzung seiner Studien wechselte er an die Berliner Kunstakademie. Seifert unternahm mehrere Studienreisen: 1903 nach Paris, 1905 nach Italien und 1910 nach Brüssel und London. Er war Mitglied der Künstler-Genossenschaft und des Künstlervereins der Bildhauer.

Zu den Luftschiffern zählten neben den Lenkluftschiffern insbesondere die vielen Feld- bzw. Festungsluftschiffer, die mit Fesselballonen verschiedener Systeme ausgerüstet waren und der Gefechtsfeld- und Artilleriebeobachtung dienten.

Besondere Bedeutung erlangte ihr Einsatz im Stellungs- und Grabenkrieg während des Ersten Weltkriegs an der Westfront. Bis 1918 erlitten die Feldluftschiffer sehr hohe Verluste.

Wegen der nicht mehr tragbaren Verlustrate war schon im Frühjahr 1917 die Heeresluftschifffahrt, der Fahrbetriebes mit Lenkluftschiffen, auf deutscher Seite eingestellt worden.