Überlebensgroßer Jesuskopf mit Dornenkrone am Wandgrab Familie E. Fischer
Die sechs zusammengefassten Friedhöfe vor dem Halleschen Tor sind christlich-evangelische Friedhöfe. Die Symbolik der Grabkunst umfasst in erster Linie sakrale Themen. Grundsätzlich für die Bedeutung der Jesus Darstellungen sind religiöse Dogmen, also Glaubensvorschriften.
Ursprünglich galt das jüdische Bildverbot auch im Christentum. Der Islam z. B. verzichtet ganz auf bildliche Darstellungsweisen, doch ein theologisches Prinzip im Christentum ist die Menschwerdung Gottes. Die sinnlich erfahrbare Offenbarung Jesus Christi als das menschlich gestaltete Sinnbild Gottes ist notwendig für das Narrativ des menschgewordenen Gottes. Klar verständlich ist dabei die Körperlichkeit Christi. Der göttliche Charakter ist nicht greifbar. Weil Gott als Jesus Christus auf die Erde gekommen ist, ist eine bildhafte Darstellung, wie hier in Stein gehauen, begründet.
Leidender Jesus mit Dornenkrone am Kreuz, Grab Paul Fischer, Inschrift: „Denn Liebe ist stark wie der Tod“
Wandgrab mit Jesus Relief, überwachsen mit natürlicher „Dornenkrone“
Goethe schreibt:
„Das ist die wahre Symbolik wo das Besondere das Allgemeinere repräsentiert […] als lebendig augenblickliche Offenbarung des Unerforschlichen.“
(Goethe, J. W. (1988). AUS KUNST UND ALTERTUM Fünften Bandes drittes Heft. In Maximen und Reflexionen (pp. 73–73). essay, Insel-Verlag.)
In der Dornenkrone, das Symbol der Passion Jesus, ist das Leid eingefasst, das Leid und der Schmerz über die Ungerechtigkeit dieser Welt, die z. B. einen geliebten Menschen von uns nimmt. Mein Gott, wenn es dich gibt, warum lässt du so etwas zu? Jesus ist am Kreuz gestorben und fragt, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Aber es ist nicht Gott, der das Leid der Menschen verschuldet, Jesus stirbt am Kreuz für unsere Sünden. Den tröstenden Ausweg bietet Christus am Kreuz mit geöffneten Augen, denn nach dem ungerechten Tod auf Erden kommt die gerechte Abrechnung in der Apokalypse. Versprochen wird die Überwindung des Todes als ewiges Leben. Bis zum göttlichen Gericht ist das der Aufenthalt im Himmel, bzw. der Hölle. Nur die lebenden Gläubigen können mit Abbitte-Gebeten für die Verstorbenen Erleichterung der Höllenqualen erwirken – eine Vorstellung, die für regen Betrieb auf den Friedhöfen sorgte und erst mit der Reformation eingeschränkt wurde. Doch auch für den Protestanten gilt: Gott ist mächtig, im Himmel wie auf Erden.
Jesus als Pantokrator (Weltherrscher) am Wandgrab der Familie Ackermann. Der stilisierte Mantel, der lange Bart und die geschickt in Szene gesetzten langen Haare weisen auf den königlichen Charakter Jesus hin.
Symbole der christlichen Religion finden sich auch auf anderen Grabanlagen, doch zum Beispiel die griechische Mythologie ist ebenfalls wichtig für die Symbolik der Friedhöfe.
Leidender Jesus am Kreuz mit der Inschrift I.N.R.I. – „Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum“ (Jesus von Nazareth, König der Juden). Die Inschrift verweist auf den Opfertot Jesus, der als König der Juden von Pontius Pilatus zum Tode verurteilt wurde.
Text und Fotos: F. Wirthmann