Berlinische Galerie, Haupteingang, © Foto: Nina Straßgütl
In der Sammlungspräsentation „KUNST IN BERLIN 1880–1980“ der Berlinischen Galerie werden auch Aufnahmen des Fotografen Dr. Erich Salomon gezeigt. Es erschien der BG Forschungsbericht 2 unter dem Titel „Erich Salomon – Meister der Selbstinszenierung“, der im Rahmen des Thomas Friedrich Stipendiums 2015 von Christiane Kuhlmann verfasst wurde. Der Fotosammler und Fotohistoriker Manfred Heiting (The Heiting Library Trust) macht es möglich, dass seit 2014 junge Wissenschaftler*innen ein Jahr lang Teile der Fotografischen Sammlung der Berlinischen Galerie erforschen können.
Zu den Fotografen, deren Archiv die Berlinische Galerie in Kreuzberg betreut, gehört auch Dr. Erich Salomon. Er gilt als Erfinder der modernen Fotoreportage. Als sein ältester Sohn Otto 1980 dem Berliner Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur über 10.000 Fotos und anderes Archivmaterial übergab, kehrten viele seiner Aufnahmen wieder nach Berlin zurück. Doch ein großer Teil der Glasnegative konnte nicht gerettet werden.
1925 war der promovierte Jurist Angestellter der Werbeabteilung des Ullstein-Verlages geworden. Um Reklametafeln der Zeitschrift „Uhu“ zu dokumentieren, die der Verlag an der Bahnstrecke aufgestellt hatte und gegen die nun die Grundeigentümer klagten, legte er sich eine Fotokamera zu: eine „Nettel“. Diese Kamera war eine Großformatkamera und damals bei Pressefotografen recht beliebt.
Salomon war 39 Jahre alt, als er – sozusagen im Nebenberuf – seine ersten Pressefotos veröffentlichte. Damit ging es auch finanziell für ihn bergauf. 1925 gründete Erich Salomon ein Taxi-Unternehmen mit zwei Elektro-Autos und einem Motorrad mit Beiwagen, das er selbst fuhr.
Berührungsängste kannte er nicht und so warb er in der Vossischen Zeitung mit dem originellen Slogan „Dr. der Jurisprudenz gibt Ihnen während der Beförderung Instruktionen über die Regierungsmaßnahmen zur Währungsumstellung von der Deutschen Mark zur Rentenmark“. Durch diese Anzeige soll der Ullstein-Verlag auf ihn aufmerksam geworden sein.
Erich Salomons Stern als Bildjournalist ging 1928 auf, als er heimlich Aufnahmen in einem Mordprozess machte. Schon damals war das Fotografieren im Gerichtssaal verboten. Die in der „Berliner Illustrirten Zeitung“ erschienene Bildreportage erregte jedoch großes Aufsehen und machte Erich Salomon schlagartig bekannt. Kurze Zeit später verließ er den Ullstein-Verlag, um als unabhängiger Pressefotograf zu arbeiten.
Zwischen 1928 und 1933 realisierte er über 350 Reportagen, meist Aufnahmen von internationalen Konferenzen und aus den gehobenen Kreisen der Weimarer Republik, Westeuropas und der USA. Erich Salomon war der erste Fotograf, dem man erlaubte, im Weißen Haus in Washington zu fotografieren. Damit war er der wohl produktivste Pressefotograf seiner Zeit, selbst ein Star und ein Gentleman.
Seinen 41. Geburtstag im Jahre 1931 feierte Dr. Erich Salomon mit 400 prominenten Gästen im Berliner Hotel „Kaiserhof“. Hier hielt er einen Diavortrag unter dem Titel “Mit Frack und Linse durch Politik und Gesellschaft“. Er gab sogar einen Bildband mit seinen Reportagefotos heraus und schrieb z. B. in der „Koralle“ über seine fotojournalistischen Erfahrungen („Berühmte Zeitgenossen in unbewachten Augenblicken“ – erschienen 1931).
Zum Markenzeichen von Dr. Ernst Salomon wurde die Ermanox-Kamera aus Dresden. Diese Kamera war relativ klein und mit dem seinerzeit lichtstärksten serienmäßig hergestellten Objektiv (1:2) und einem Schlitzverschluss, der Belichtungszeiten von 1/20–1/1000 Sekunden erlaubte, ausgestattet. Mit der Ermanox waren Momentaufnahmen auch bei schwachem Licht, Fotos in Innenräumen ohne Stativ und Blitzlicht möglich. Als fotografisches Bildmaterial dienten Glasplatten von 4,5 × 6 cm in Einzelkassetten.
1930 leistete sich der Starfotograf eine Leica, die noch leichter und unauffälliger als die Ermanox war. Mit den kleinen Kameras und den dazugehörigen Vorrichtungen konnte Salomon seinen eigenen, typischen Stil der Fotoreportage entwickeln, der ihn weltberühmt machte und die Pressefotografie nachhaltig beeinflusste.
1933 emigrierte der Fotograf, der aus einer Berliner jüdischen Familie stammte, nach Holland in das Heimatland seiner Frau Maggy. Doch im 1940 von den Nazis besetzten Holland war er nicht sicher. 1943 wurde Dr. Erich Salomon in Scheveningen verhaftet und mit seiner Frau und dem jüngeren Sohn zuerst in das KZ Theresienstadt, dann nach Auschwitz deportiert. Dort wurden er und seine Frau am 7. Juli 1944 ermordet. Auch sein jüngster Sohn teilte dieses Schicksal. Sein Sohn Otto war 1936 nach London gegangen, um in Großbritannien als Fotoreporter zu arbeiten. Später wurde Otto Salomon britischer Soldat und kehrte nach dem 2. Weltkrieg nach Holland zurück.
Der am 28. April 1886 in Berlin geborene Bildjournalist und Fotograf Dr. Erich Salomon galt als „König der Indiskretion“ („Le roi des indiscrets“). Nach einer Aussage des französischen Außenministers Aristide Briand gehörten zu einer wichtigen internationalen Konferenz drei Dinge: einige Außenminister, ein Tisch und Salomon.
In der Nacht arbeitete er häufig unter erheblichem Stress in (s)einer Dunkelkammer, um Filme zu entwickeln und Fotos auszubelichten.
Als Reporter war er clever, gewandt und freundlich – immer Herr der Situation. Er sprach mehrere Sprachen fließend. Sein höfliches Benehmen öffnete ihm alle Türen. Seine Kamera versteckte er mal unter einem Hut, in einer Tasche oder in einem dicken Buch. Immer hatte er neue Einfälle. Wurde er einmal doch erwischt, gab er reumütig eine Fotoplatte heraus, die allerdings meistens unbelichtet war. Salomon kämpfte immer gegen die Zwänge des Redaktionsschlusses und die Einwände engstirniger Redakteure („Toscanini? Kenne ich nicht. Ich brauche Bilder vom Fußball“).
Seit 1971 wird von der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) der Erich-Salomon-Preis für außergewöhnliche bildjournalistische Arbeiten verliehen.
Drei „Stolpersteine“ vor seinem ehemaligen Wohnhaus in der Hölderlinstraße 11 in Berlin-Westend erinnern seit 2006 an den großen Berliner Presse-Fotografen jüdischer Herkunft und mahnen die Nachgeborenen.
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