OldieTech – Ein Porträt

Berlin. Der Sturm tobt über den Dächern einer Metropole, die sich nur noch für Zukunftstechnik begeistert. Der Graupel hüpft auf der Kreuzbergstraße.
Gedankenverlorene Passanten hetzen von A nach B und übersehen leicht eine kleine unscheinbare Einfahrt – Kreuzbergstraße 9.

Selbst wenn man nicht hetzt und nicht gedankenverloren ist und in die kopfsteingepflasterte Zufahrt schaut, sieht man nichts. Am Ende einer Gasse, die an Wohnhäusern vorbeiführt, die ganz im belanglosen Design der Hauptstadt gebaut sind, steht ein Gebäude, das noch echte Berliner Geschichte atmet. Denn hier befindet sich der Restaurationsbetrieb OldieTech.

Seit 1997 ist hier das fachgerechte Heim für alle rollenden Schätze ihrer Liebhaber. Marken wie Packard, Buick, Dodge, Opel, Ford und auch alle anderen „alten Autos mit Seele” finden hier eine zweite Chance. Hier schlägt das Herz im Takt eines V8 und die Seele ist verchromt.
Nehmen wir mal an, Sie sind der traurige Besitzer eines Maserati Ghibli. Der Stoff, aus dem Ihre Träume sind, besteht nur noch aus Rost, Pfusch und fehlenden Ersatzteilen. Dann werden Sie hier Trost, Anerkennung und Hilfe finden, bis Sie wieder strahlen und lachen, vor Freude in die Luft springen und mit steigender Begeisterung an Ihre motorisierte Zukunft glauben.

Dann bekommen Sie die Rechnung.
Diese kann den Wert Ihres Traumes locker um das Zwei- bis Dreifache übersteigen. Aber all das wissen Sie schon vorher, es ist Ihnen klar, dass es auf Ihre Geduld ankommt und nicht auf Ihren Geldbeutel.
Der Chef des Kreuzberger Restaurationsunternehmens, Dipl. Ing. Andreas Steinhofer, hat sich hart seinen Traum erarbeitet, auch seine Mannschaft scheint kein technisches Problem zu beunruhigen, gleichgültig wie schwierig ihr „Patient” zu retten ist. Sie müssen sich allerdings vergegenwärtigen, dass Ihr größtes Problem Ihre Geduld ist.

Hier wird nicht gehetzt, hier wird gearbeitet.
Wieviel Zeit und Geld Sie mitbringen müssen, bestimmt alleine Ihr „Jugend-Zukunfts-wollte-ich-schon-immer-haben-Traum”!

In der OldieTech-Mannschaft hat jeder sein Spezialgebiet – Motor, Fahrwerk, Elektrik, Karosserie und Organisation (was ein erheblicher Teil ist!), aber keine Vorlieben. Lackiert wird außerhalb des Betriebes. Alle Wagen bis Baujahr 1989 sind herzlich willkommen!
Zwei sehr versierte Karosseriebauer stellen jedes nur erdenkliche Teil her, um Ihren Sportwagen wieder zu dem zu machen, was er war. Oder Ihren Straßenkreuzer, Ihren Oldtimer von 1914 oder Ihren Geländewagen, Ihr Muscle-Car.
Hier stehen Fahrzeuge, denen man keinen Kilometer mehr zutraut, die mehrfach um die Welt gefahren zu sein scheinen.
Fahrzeuge, die seit 1965 im Straßenverkehr zugelassen sind, 20 Jahre vergessen in einer Scheune standen, vererbt wurden oder einfach aus Liebe oder Bewunderung gekauft wurden.

Dauernd klingelt das Telefon im kleinen kargen Büro:
„Bitte Herr Steinhofer, was macht mein Maserati?”
„Der macht Pause, bis er wieder fahren will.”
ODER:
„Haben Sie vielleicht eine Lichtmaschine für einen 1954 Packard?”
„Nein, dieses Ersatzteil gibt es schon seit 1955 nicht mehr!”
ODER:
„Sie möchten eine FIVA-Bescheinigung? Gerne, wenn Ihr Wagen original genug ist!”
So stelle ich mir die Telefonate vor, die hier getätigt und erduldet werden müssen, damit hier alles läuft.

Man glaubt, man wäre in einer Werkstatt, die seit 1950 restauriert, repariert, gebaut, vermessen, geschweißt, rekonstruiert und gerettet hat, um uns noch einige schöne Augenblicke im Alltag zu schenken.
Klingt Ihnen das zu romantisch?
Warum sehen Sie sich dann immer so verzückt nach einem rollenden Traum um, bleiben stehen und machen Bildchen? Weinen heimlich nachts in Ihr Kopfkissen, seit Sie die 67er Corvette Stingray „in echt” gesehen haben?
Da spricht natürlich Ihre Vernunft aus Ihnen, nicht wahr?

Die Wahrheit ist immer ganz simpel.
Hier wird verchromte Geschichte gerettet, koste es, was es wolle.
Wir brauchen unsere Träume und unsere Geschichte, motorisiert, bunt lackiert und vor sich hin schnurrend. Fahrende Hoffnung außerhalb der digitalen Zukunft. Etwas Reales, in das man sich gerne reinsetzt, losfährt und sich die Welt ansieht.
Es gibt wirklich noch Orte in Kreuzberg, die völlig intakt sind und entdeckt werden wollen.
Dies ist so einer!