Überliefert ist diese Bemerkung des beim Volk sehr beliebten Mediziners, die er gegenüber einem Leutnant machte und der Heim die trockene Erklärung voran schickte: „Husten kommt entweder aus der Lunge oder er kommt vom Saufen.“
Ernst Ludwig Heim wird als dritter Sohn des Pfarrers Johann Ludwig Heim und seiner Frau Dorothea (geb. Wagner) am 22. Juli 1747 in Solz, Thüringen, geboren. Er und seine Brüder werden zu Hause von ihrem Vater in Latein, Griechisch, Geschichte, Botanik und Pflanzenheilkunde unterrichtet. Dabei entwickelt Heim schon sehr früh eine Vorliebe für Heilpflanzen und Moose.
Als es um die Berufswahl des 15-jährigen Ernst geht, schlägt sein Vater eine Apothekerlehre bei seinem Schwager vor. Da Ernst dessen überhebliches Gebaren nicht ertragen kann, bedroht er ihn mit seiner Vogelflinte, was seine angehende Karriere als Apotheker abrupt beendet. Nun wird entschieden, dass Ernst und sein Bruder Anton trotz wenig schulgerechter Vorbildung im Vaterhaus auf das Gymnasium in Meiningen geschickt werden, wo sie 1766 ihr Abitur erfolgreich ablegen.
Mit seinem Schulfreund Hans Zierlein wandert Heim in zehn Tagen von Meiningen nach Halle, um dort sein Medizinstudium zu beginnen. Schon während seines Studiums beginnt er für seinen Professor Dr. Nietzky in dessen Praxis, Patienten zu behandeln und erarbeitet sich schon bald einen soliden Ruf.
Zögerlich entwickelt sich eine Freundschaft zwischen Heim und Werner Muzel, dem Sohn des Leibarztes von Friedrich II. Sie träumen von einer großen Studienreise, um anschließend in Berlin eine gemeinsame Praxis zu eröffnen. Mitte April 1772 promovieren beide zu Doktoren der Medizin. Aus Dankbarkeit dafür, dass es Heim immer wieder gelungen ist, Werner Muzel aus seinen Phasen tiefer Depression zu holen, übernimmt dessen Vater auch Heims Reisekosten.
So kann die Reise am 2. Mai 1772 mit Exkursionen durch den Harz beginnen. Fünf Monate durchstreifen sie die Heilquellengebiete des Weserberglandes, des Teutoburger Waldes, Niedersachsens, des Taunusgebirges, der Lahn und der Ems. Dabei stoßen sie auch auf einen abseits der Ortschaft gelegenen Siechenhöfe, wo die Aussätzigen, die von Seuchen befallenen sind, ein schreckliches Leben ohne öffentliche Unterstützung führen. Dieses Erlebnis führt Heim zu der Überzeugung, dass Ärzte kaum Wissen über die Wirkungsweise von Seuchen wie Lepra, Cholera, Typhus oder Pocken haben.
Sie reisen weiter nach Aachen, um sich dort mit Doktor Le Soinne zu treffen. Dieser klärt sie über seine Methode der Pockenbekämpfung auf, die auf der Beobachtung beruht, dass leicht infizierte und wieder genesene Patienten nicht mehr anfällig für eine Neuansteckung sind. Folglich hat Le Soinne bei Kindern und auch bei Erwachsenen mit verdünntem Pockeneiter eine leichte Erkrankung hervorgerufen, die sie für den Rest ihres Lebens immun gegen Pocken machen soll.
Von Aachen geht es weiter nach Leyden, wo sie an der Medizinischen Fakultät Kurse bei Professor van Döveren belegen. Über Amsterdam reisen sie im August 1773 per Schiff nach England. In London lernen sie die wahrscheinlich bedeutendste Persönlichkeit ihrer Reise kennen, Sir Joseph Banks. Der Biologe und Botaniker Banks ist mit James Cook um die Erde gereist und hat von überall Pflanzen mit nach Hause gebracht. Heim und Muzel sind bald willkommene Gäste in Banks Herrenhaus außerhalb von London. In dessen Haus, das eher einer Bibliothek gleicht, können die beiden nach Herzenslust ihren Studien nachgehen.
Durch ein Empfehlungsschreiben von Le Soinne lernen sie Dr. Hunter kennen, den Chefchirurgen des St. Georges Hospitals. Dieser hat eine riesige Sammlung von menschlichen und tierischen Skeletten in seinem Haus am Rande Londons. Auch hier können die beiden Freunde unbegrenzt anatomische Studien betreiben.
Nach einem Jahr Aufenthalt in England machen Heim und Muzel sich über Frankreich auf den Heimweg. In Paris haben sie das Glück, den Aufklärer und Naturphilosophen Jean Jacques Rousseau kennenzulernen. Von Paris reist Muzel über Leipzig nach Berlin, während Heim zuerst zu seiner Familie nach Meiningen und dann nach Berlin fährt.
Der Stadt- und Landphysikus in Spandau, Dr. Jetzke, dem Heim als Praktikant in Halle schon begegnet ist, fragt bei Heim an, ob er ihn für längere Zeit vertreten wolle, da er wegen eines Brustleidens in eine Kuranstalt ins Gebirge müsse. Heim sagt zu, da er Schwierigkeiten hat, in Berlin eine Arztstelle zu finden. Als Dr. Jetzke ein halbes Jahr später stirbt, wird Heim am 1. September 1776 vom Magistrat zu Spandau zum Stadtphysikus und später auch zum Kreisphysikus des Havellandes ernannt. Er bezieht eine Amtswohnung am Reformationsplatz 2 in der Spandauer Altstadt.
Heim stürzt sich sofort in Arbeit, bald sind 16-Stunden-Tage die Normalität. Er unternimmt auch den schwierigen Versuch, die Bevölkerung von der Pockenimpfung zu überzeugen. Da sich sein guter Ruf immer weiter verbreitet, bringen ihm die Spandauer immer mehr Vertrauen entgegen und lassen sich und ihre Kinder impfen. Keine Hilfe wird ihm von Seiten des Berliner Collegium Medicum zuteil, das seine Berichte und Vorschläge zur gesetzlichen Impfung entweder gar nicht oder nur ausweichend beantwortet. Noch mehr Anerkennung in der Bevölkerung bekommt Heim, weil er sich auch um den Viehbestand kümmert, der oft durch Seuchen bedroht ist.
1780 heiratet Heim Charlotte Maekker, mit der er zwei Söhne und sechs Töchter hat. Heim bewirbt sich um die Stelle des Berliner Stadtphysikus und kann diese am 1. April 1783 antreten. Er eröffnet seine Praxis in der Markgrafenstraße in der Nähe des Gendarmenmarktes.
Das Glück bleibt Heim weiterhin treu, denn der Ruf seiner ärztlichen Kunst verbreitet sich nach den Schwierigkeiten der Übergangszeit in Berlin schneller, als er erwartet hat. So ist er nicht überrascht, als er von der Prinzessin Amalie zum Leibarzt berufen wird.
Heim lernt aber auch das andere Berlin kennen. Seine Krankenbesuche führen ihn oft genug in die Nebenstraßen mit ihren Abfallgruben, mit oft noch strohgedeckten Häusern der Köpeniker und Stralauer Vorstadt und in die übervölkerten Elendsquartiere an der alten Ringmauer.
All seinen Patienten, ob arm oder reich, schenkt Heim die gleiche Aufmerksamkeit. Allerdings müssen Arme oft die Behandlung nicht bezahlen und erhalten zudem auch noch Geld für Medikamente.
Es ranken sich um die Persönlichkeit des populären Arztes eine Fülle von Anekdoten. Als einmal eine Baronin in großer Aufmachung in seine Sprechstunde rauscht, sagt Heim zu ihr, ohne von seinen Eintragungen aufzublicken: „Bitte, sich einen Stuhl zu nehmen.“ „Erlauben Sie, ich bin die Baronin von P…“ empört sich die Dame. Heim antwortet, weiter in seine Arbeit vertieft: „Bitte, sich zwei Stühle zu nehmen.“
Auch auswärtige Mediziner von Rang wie der Hochschulprofessor Christoph Wilhelm Hufeland in Jena zeigen hohe Anerkennung für Heims Versuche, die Pockenimpfung durchzusetzen. Diesen ausgezeichneten Mediziner gedenkt Heim auf seiner nächsten Reise zu besuchen, um ihn kennenzulernen und ihn möglicherweise für eine engere Zusammenarbeit zu gewinnen.
Hufeland zieht 1801 nach Berlin und wird Chefarzt an der Charité und Leibarzt von Friedrich Wilhelm III. Er tritt dem Sechs-Ärzte-Verein bei, in dem auch Heim Mitglied ist. Beide werden schnell gute Freunde. Sie beratschlagen oft, wie sich das preußische Gesundheitswesen verbessern ließe.
Hauptsächlich auf Heims Betreiben entsteht in Berlin 1801 die „Anstalt zur Verbreitung der Pockenimpfung“. Nun sieht sich auch Friedrich Wilhelm III. veranlasst, die Impfbewegung durch ein „Königliches Schutzplatternimpfungs-Institut“ zu sanktionieren und im Herbst 1803 ein „Impfreglement“ zu erlassen.
In jenen Jahren wird Heims Frühsprechstunde für Mittellose, zu der sich bereits um fünf Uhr früh die Patienten einfinden, zu einer vortrefflichen Schule für junge preußische Mediziner, die aufgrund der französischen Besatzung Preußens nicht viele Möglichkeiten haben, praktische Erfahrung zu sammeln. Heim wird wegen seiner präzisen diagnostischen Fähigkeiten von seinen Kollegen und Patienten sehr geschätzt. Auch wird er in der Berliner Bevölkerung wegen seiner Unerschrockenheit, seiner Schlagfertigkeit, seiner Herzlichkeit und seiner Wahrheitsliebe bewundert.
Am 15. April 1822 wird Heim zu seinem 50-jährigen Doktorjubiläum mit der Ehrenbürgerschaft Berlins gewürdigt. Aus diesem Anlass erhält Heim vom Ärzteverein eine Goldmedaille mit seinem Porträt im Profil.
Noch als Achtzigjähriger ist Heim unermüdlich tätig, doch er übersieht die Zeichen seines Alterns nicht. Wegen des Nachlassens seines Gedächtnisses reduziert er seine ärztlichen Verpflichtungen nach und nach. Aus diesem Grund unterdrückt er seine Neigung, bei der Bekämpfung der Cholera im Jahr 1831 zu helfen.
Nach der Feier seines 87. Geburtstages am 22. Juli 1834 macht sich bei ihm ein rascher Kräfteverfall bemerkbar. Am 15. September 1834 stirbt er im Kreis seiner Angehörigen. Als er am Vormittag des 18. September auf dem Friedhof II der Jerusalemer und Neuen Kirche in Kreuzberg beerdigt wird, bilden Tausende Berliner ein Spalier vom Trauerhaus am Gendarmenmarkt bis zum Friedhof am Halleschen Tor.
Hufeland hält in einer Gedenkstunde vor der Ärzteversammlung einen Nachruf auf seinen Freund Heim. Er beschreibt Heim als einen Menschen von kindlicher Natürlichkeit, Unbefangenheit, Offenheit, Pflichterfüllung, großer Bescheidenheit, Demut und Aufopferung.
Zu seinen Ehren wurde in Spandau in der Grunewaldstraße 8 eine Grundschule nach ihm benannt. Am Haus seiner Amtswohnung in der Spandauer Altstadt am Reformationsplatz 2 weist eine Gedenktafel auf seine Zeit als Spandauer Amtsphysikus hin. Die Heimstraße in Kreuzberg zwischen Marheinekeplatz und Jüterboger Straße erhielt bereits im Jahr 1887 seinen Namen.