Ein Denkmal für Marie Juchacz

Im August 2017 wurde das Denkmal für Marie Juchacz in der Nähe des Mehringplatzes, Gitschiner Straße 110 enthüllt. Die zweimal abgewinkelte rostige Stahlplatte bildet ein Dreieck, aus dem das Portrait von Marie Juchacz, ihre Lebensdaten und die Worte „Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Toleranz und Solidarität“ ausgeschnitten sind. Vor dem Denkmal ist eine Stahlplatte mit einem kurzen Lebenslauf von Marie Juchacz flach in den Boden eingelassen.

Marie Juchacz wurde 1879 in Landsberg an der Warthe geboren und arbeitete zunächst als Hausangestellte, Fabrikarbeiterin, Krankenpflegerin und Näherin. 1908 trat sie in die SPD ein und war von 1917 bis 1933 Mitglied des Parteivorstandes. Im Jahr 1918 wurde sie in die Weimarer Nationalversammlung gewählt und arbeitete dort an der Vorbereitung des Entwurfs einer Verfassung des Deutschen Reichs. Dort hielt sie am 19.02.1919 die erste Rede einer deutschen Parlamentarierin. Im selben Jahr erhielt sie vom Parteivorstand den Auftrag, einen Hauptausschuss für die Arbeiterwohlfahrt zu gründen. Bis 1933 führte Marie Juchacz den Vorsitz in der AWO. Diese löste sich aber 1933 auf, um einer Vereinnahmung durch die NSDAP zu entgehen. Marie Juchacz emigrierte nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ins Saarland, dann über das Elsass und Paris nach Marseille. 1941 reiste sie über Martinique nach New York, wo sie 1945 die AWO USA für die Opfer des Nationalsozialismus gründete. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1949 übernahm sie den Ehrenvorsitz in der 1946 neugegründeten AWO. Marie Juchacz starb am 28. Januar 1956 in Düsseldorf.

Die AWO entwickelte sich unter der Vorsitzenden Marie Juchacz rasch zu einer tragfähigen Organisation für Schulungseinrichtungen, Kindergärten und Erholungsheime. Bereits 1926 gab es fast 2.000 Ortsverbände und vor der Auflösung 1933 zählte die AWO ca. 135.000 ehrenamtliche Mitglieder in 2.600 Ortsverbänden mit 1.414 Beratungsstellen. Heute sind es 335.000 Mitglieder, 66.000 ehrenamtliche Helfer und 215.000 hauptamtliche Mitarbeiter. Der zentrale Gedanke der AWO war die solidarische Selbsthilfe der Arbeiter/innen statt gönnerhafter Wohlfahrt durch bürgerliche Organisationen. Heute ist die AWO in vielfältigen Bereichen tätig, unter anderem in der Erziehungs- und Familienberatung, Krebsberatung, Schuldner- und Insolvenzverfahrensberatung, Schwangerschaftsberatung, Suchtberatung sowie Wohnungslosenhilfe.

Das Denkmal für Marie Juchacz wurde von dem Künstler Gerd Winner im Auftrag der AWO geschaffen. Gerd Winner (geboren 1936) studierte von1956 – 1962 an der Hochschule der Künste in Berlin und arbeitete seit 1964 als freischaffender Maler und Grafiker. 1975 erhielt er eine Professur an der Akademie der Bildenden Künste, München. Mit seinen Werken ist er in vielen privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten, unter anderem in der Sammlung Ludwig in Köln, der Kunsthalle Hamburg, der Albertina in Wien, der Nationalgalerie Berlin sowie dem Kupferstichkabinett in Berlin.